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Jeder Gemeinde ihr Biotop – ein neues Naturschutzkonzept zur Rettung der Artenvielfalt

By 1. Januar 2018September 21st, 2019Archiv Veranstaltungen

Als Höhepunkt der Veranstaltung folgte der Gastredner Peter Berthold mit dem bewegenden Vortrag „Jeder Gemeinde ihr Biotop – ein neues Naturschutzkonzept zur Rettung der Artenvielfalt“

Wie sich die Zeiten ändern. Hätte die Urschelstiftung noch vor ein paar Jahren einen Ornithologen, einen Vogelkundler also, als Hauptredner für eine Jahresversammlung präsentiert – sie wäre wohl belächelt worden. Vogelsterben und Insektensterben – selbst im umweltbewegten Baden-Württemberg war das eher ein Thema für Fachleute. Heute sind die Warnungen vor einer Katastrophe beinahe schon Allgemeingut geworden.

Er redet nicht nur, er handelt auch

So brachte denn auch der Vortrag von Peter Berthold beim Treffen der Urschelstiftung nichts wirklich Neues. Mit einem Unterschied allerdings: Der Mann mit dem beeindruckenden weißen Vollbart redet nicht nur – er handelt auch. Er tut was – und wenn die Stimmung des Publikums an diesem Abend in der Volksbank nicht vollends täuscht, hat er hier in Nagold etwas in Gang gesetzt. Man könnte sagen: Der Professor hat so etwas wie die zarten Anfänge einer Bewegung entfacht. Die Frage steht: Wird es bald ein Feucht-Biotop in Nagold geben? Oder ist es nur ein Strohfeuer, das er da entzündet hat?

Doch der Reihe nach: Berthold ist kein Mann der zurückhaltenden Sprache. „Den meisten Leuten geht der Arsch auf Grundeis“, beginnt er seinen Vortag, „und das in allen Bevölkerungsschichten“. Die Insekten hätten um 70 bis 80 Prozent abgenommen – Hauptschuld trage die Landwirtschaft mit ihrem Einsatz von Pestiziden und Insektiziden. Ganz schlimm sehe es bei den Vögeln aus. Viele Menschen fragten sich, wie lange denn am Bodensee noch Äpfel angebaut werden können.

Berthold, ganz in schwarz gekleidet, ist ein geschickter Redner, mal provoziert er gekonnt Lachsalven im Publikum, zwischendurch spricht er recht gerne von sich und seinen Erfolgen, mal malt er Horror-Szenarien geradezu an die Wand. „In China klettern die Leute bereits in die Bäume, um die Blüten per Hand zu bestäuben.“

Allerdings, der Professor mit dem Rauschebart ist kein Jammerer, der vor Unbill resigniert. „Jeder Gemeinde ihr Biotop – ein neues Naturschutzkonzept zur Rettung der Artenvielfalt“, heißt der Titel seines Vortrags. Die Worte sind Programm: Jede Gemeinde brauche ihr eigenes Biotop, das meint der Professor durchaus wörtlich.

„Über 100 solcher Biotope gibt es schon“

Sein Credo: Wenn jede Kommune zehn Prozent aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausnehmen würde (und um Himmels Willen nicht die besten Wiesen) und sich dort die Natur ungehindert entfalten könnte – es wäre so etwas wie eine kleine ökologische Revolution. Er selbst habe damit in seiner Heimatstadt Billafingen am Bodensee begonnen. Etwa 1,5 Hektar sei der Teich des Biotops groß, drum herum rund fünf Hektar unberührtes Land. Längst vergessene Pflanzen seien wieder erblüht, Insekten und Vögel scharenweise zurückgekehrt. „Naturoase aus Menschenhand“, nennt er das Projekt, das mittlerweile in ganz Deutschland Schule mache. „Über 100 solcher Biotope gibt es schon.“

Der Beifall, der Berthold entgegenbrandet, ist lang und herzlich. Im Theater würde man „Zugabe“ rufen. Doch es kommt viel besser, gleich mehrere Redner, darunter auch Granden der Urschelstiftung, äußern sich derart begeistert, als würden sie am liebsten noch am Abend mit den Planungen eines Feucht-Biotops in Nagold beginnen. Sogar Alt-Oberbürgermeister Rainer Prewo meldet sich sehr zustimmend zu Wort. Und Ulrich Mansfeld, der Vorsitzende der Stiftung, verweist auf die Anwesenheit mehrerer Stadträte – und spricht von einem „politischen Statement“, das an diesem Abend abgegeben worden sei. Nun haben ja „politische Statements“ bekanntermaßen mitunter eine eher kurze Haltbarkeit – zu wünschen wäre diesem Anliegen das Gegenteil.

Foto: Urschelstiftung